Mittendrin statt nur dabei

Als Streetworker wollte ich in meinen Runden die Stimmung und Atmosphäre von einem Park in Wien bildlich mit meinem Smartphone einfangen und gestalten. In diesem Park habe ich damals sehr viel Zeit verbracht und viele Alltags- und Beratungsgespräche mit den Parknutzer:innen geführt. Ich hatte sozusagen ein gutes und stimmiges Gefühl für diesen Park und die Menschen, die Zeit in diesem Park verbrachten. Ich hatte also eine recht klare innere Vorstellung davon, was ich losgelöst von dem Motiv und der sich daraus ergebenden Gestaltung mit dem Bild zum Ausdruck bringen wollte.

Nichts funktioniert

Also begab ich mich auf die Suche nach Motiven und habe begonnen aus allen möglichen Ecken in diesem Park Fotos mit meinem Smartphone zu machen. Ich habe aus unterschiedlichsten Perspektiven fotografiert. Ich habe meine Motive von dem Geschehen in dem Park näher her gezoomt, weiter weg gezoomt. Ich habe meinen Fokus auf unterschiedliche Gruppen, auf das Nebeneinander und auf das Miteinander von unterschiedlichen Gruppen gelegt. Ich habe auf besondere Momente gewartet. Ich habe alles Mögliche ausprobiert, mitbedacht und mitgedacht. Ich machte wirklich viele Fotos an mehreren Tagen, zu unterschiedlichen Uhrzeiten geschossen. Nichts davon hat wirklich gestimmt oder funktioniert. Keines der Fotos brachte auch nur irgendwie mein Gefühl von der Atmosphäre und der Stimmung in diesem Park zum Ausdruck. Ich wusste nicht, warum es nicht „funktionierte“. Es stimmte einfach nicht. Ich war mitunter recht verzweifelt, konnte nicht fassen, dass es mir nicht gelang, die Stimmung, von der ich scheinbar so eine klare innere Vorstellung hatte, einzufangen. Ich spürte ganz deutlich, dass auf allen Bildern etwas fehlte, hatte aber gar keine Vorstellung davon, was fehlte.

Mitten drin

Irgendwann bin ich im Zuge meiner Arbeit als Streetworker wieder in diesem Park und saß mit zwei Frauen , eine aus Äthiopien, eine aus Ex-Jugoslawien und einigen Jugendlichen aus Afghanistan auf einer Parkbank zusammen und wir haben Alltagsgespräche geführt und ich habe sie einfach gefragt, ob es sie stören würde, wenn ich mit meinem Smartphone fotografiere. Es störte niemanden. Ich nahm also mein Smartphone raus. Wir sprachen einfach weiter und wenn ich den Eindruck hatte, dass etwas fotografierenswert ist, habe ich aus dieser Gruppe heraus einfach Schnappschüsse gemacht. Ich habe beim Fotografieren eigentlich nichts gedacht, es war keine Zeit dazu, es gab auch keinen Anlass und keinen Grund dazu. Und –  es wäre in der Gruppe auch total unpassend gewesen, um nicht zu sagen unfreundlich. Ich habe im schönsten Sinne einfach nebenher und einfach „nur“ fotografiert, Schnappschüsse gemacht. Wenn ich nichts zum Fotografieren gesehen habe, habe ich einfach das Smartphone nicht zur Hand genommen. Und mein „Schnappschüsse machen“ war eingebettet in Gesprächen in und mit der Gruppe. So entstand unter anderem dieses Werk , dieses Fotogemälde.

Auf dem Nach-Hause-Weg nach der Arbeit habe ich mir diese Fotos, diese Schnappschüsse angeschaut. Plötzlich hatten die Fotos „etwas“, ich hatte das Gefühl, dass wenigstens einige der Fotos „stimmen“, dass sie „funktionieren“. In dem Moment wusste ich auch, was bei den früheren Fotos nicht stimmte, was fehlte. Bei meinem vorherigen Versuchen habe ich von außen fotografiert, ich habe mich selbst aus der Stimmung und aus der Atmosphäre des Parks herausgenommen und wollte sozusagen als Außenstehender eben diese Stimmung und Atmosphäre zum Ausdruck bringen. Erst durch dieses „mich-selbst-herausnehmen“, erst durch dieses „mich-zum-Außenstehenden-machen“ gab es beim Fotografieren selbst so viel zu bedenken und zu analysieren.

Als Teil des sozialen Geschehens in diesem Park stellten sich diese analytischen und rationellen Fragen nicht mehr. Sie mussten nicht einmal bei Seite geschoben werden, sie waren im schönsten Sinne keine Fragen und forderten demzufolge auch keine Antworten. Ich war dabei und konnte einfach nur schauen.

Worte und Bilder

 So kann ich auch (heute) nicht konkret beschreiben, warum dieses Bild (jetzt im Besonderen) wirklich stimmt, warum es das zum Ausdruck bringt, was mich an diesem Ort berührt hat oder ich zum Ausdruck bringen wollte. Wenn ich das könnte oder wenn ich das können wollte, würde ich darüber schreiben oder sprechen. Ich habe (mir davon) ein Bild gemacht. Das Bild sagt (zumindest mir) etwas, ohne zu wissen, was es mir sagt und es sagt etwas, das (zumindest) für mich weit über das hinausgeht, was ich anfangs und als Idee in und mit dem Bild zum Ausdruck bringen wollte.

Wittgenstein meinte „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“. Man kann (sich) aber davon ein Bild machen und es betrachten und es zeigen. Und man kann darauf hören, was einem das Bild sagt, ohne dass das Bild dabei Worte spricht.